Schilfkunde – Röhricht wächst nicht unter Bäumen.

Berlin hat in letzten Jahren sehr erfolgreich lange und breite Schilfgürtel entlang seiner zahlreichen Gewässer anpflanzen können. Teilweise waren sie bereits da und wurden erweitert sowie zusätzlich an weiteren Uferbereichen neu gepflanzt. Sicherlich kennt ihr den Begriff Schilfgürtel. Wie eine dichte Hecke steht im flachen Wasser am Ufer ein dichtes Röhricht. Erst dahinter stehen die Bäume und Sträucher an Land.

2022. Mann auf E-Surfboard auf dem Tegeler See. Hinten ist ein dichter und hoher Schilfgürtel zu sehen.

Mit einem Boot bin ich häufig auf der Havel und dem Tegeler See unterwegs und sehe viele Schilfgürtel. Einige Fotos sollen euch einen Eindruck davon vermitteln. Die ersten beiden stammen vom Tegeler See, dessen Ufer an mehreren langen Strecken von Schilfgürtel gesäumt ist. Gleiches gilt für die Ufer der darin liegenden Inseln.

23. 10. 2021. Berlin. Reinickendorf. Tegeler See. Herbst. Herbstlaub. Schilfgürtel

Direkt entlang der Havel dürften heutzutage einige Anwohner, die früher von ihren Grundstücken aufs Wasser gucken konnten, nicht so erfreut über die dicke Schilfwand sein, die ihnen im Sommer den Blick verstellt. Egal, der Artenvielfalt tut es gut und das ist auf dem Wasser eindeutig zu  erkennen.

Schilf wächst schlecht unter Bäumen, es braucht Licht!

5. 7. 2022. Berlin. Heiligensee. An der Havel. Schilfgürtel.

Schilf wächst nicht gut unter Bäumen die es abschatten, sondern braucht Licht. Auf dem Foto ist ein  Schilfgürtel sehen, der in der Mitte teilweise von einem Baum verschattet wird. Das Schilf ist dort viel niedriger als in den benachbarten Bereichen.

Schilfgürtel am Plötzensee

Der Plötzensee ist von Bäumen umsäumt, deren Äste und Blätter über die Uferkante hinausragen und die flachen Bereiche verschatten. Das sind keine guten Voraussetzungen für Schilfgürtel. Auch fällt das Ufer an langen Strecken zu schnell ab, es wird also zu schnell tief für den Schilfbewuchs.

14. 2. 2009. Berlin. Mitte. Wedding. Rehberge. Winter. Eis. Schnee. Zaun um den Plötzensee.

Trotzdem pflanzte man an zwei Stellen kleine Schilfstreifen an oder unterstützte den vorhandenen spärlichen Bewuchs.  Einmal an der nordwestlichen Spitze beim Wickeltisch. Dieser Bereich wird schon lange durch eine Bojenkette und einen Zaun geschützt. 2008 kam ein weiterer Zaun dazu.

17. 5. 2011. Berlin. Mitte. Rehberge. Regenbogen über dem Plötzensee.

Ein zweiter kleiner Schilfgürtel wurde dicht neben der Fischerpinte gepflanzt.  Im Uferbereich dahinter wuchs seitdem ein dichtes Gestrüpp und er war durch einen hölzernen Zau mit Maschendraht umzäunt. Im Wasser wurde vor dem Schilfgürtel eine Barriere aus Stangen geschaffen, damit die Leihboote der Fischerpinte nicht in das Schilf fuhren.

24. 5. 2010. Berlin. Mitte. Wedding. Park Rehberge. Plötzensee. Kleiner Schilfgürtel an der nordwestlichen Spitze.

Bäume und Sträucher wurden in den Bereichen soweit entfernt, dass das Schilf gut wachsen konnte. Das klappte jahrelang gut, aber wenn man heute nachsieht, ist vom Schilf kaum noch etwas übrig. Warum? Von der nordwestlichen Spitze hatte man einen guten Blick über den See. Heute sieht man vom Frühling bis in den Herbst nur eine hohe Blätterwand. Der für den Schilfwuchs zugedachte Bereich ist fast völlig von Bäumen und dicht belaubten Ästen überwuchert. Die lassen dem Schilf kaum die Möglichkeit, üppig zu gedeihen.

Das wissen die Grünflächenleute des Bezirks. Wenn sie weiterhin Schilf am Plötzensee haben wollten, hätten sie dafür gesorgt, dass die Schilfflächen nicht von den Bäumen abgeschattet wurden. Entspechend hätte man Sträucher gestutzt und nachwachsenden Bäume entfernt.

Vielleicht gab es einen Grund, weshalb die kleinen Schilfgürtel am Plötzensee nicht mehr unterstützt wurden.

Biber fällen Bäume und untergraben das Ufer

In den letzten Jahren sind 2-stellige Mengen von Bäumen am Ufer des Plötzensees von Bibern so stark benagt wurden, dass sie entweder umkippten oder gefällt wurden. Der Biberverbiss machte nicht einmal vor großen Bäumen halt. Außerdem hatte der Biber Uferbereiche untertunnelt. Das war im Bereich, wo die Treppe zum Futterhäuschen ist, ziemlich ausgeprägt. Deswegen gab es auch Sperrungen der Wege.

Fauna. Tiere. Bisamratte mit einem Schilfhalm in der Havel.

Biber ernten Schilf als Nahrung.

9. 2. 2018. Berlin. Berlin-Mitte. Wedding. Park Rehberge. Biberbisse am Baum

Biber unterliegen dem Naturschutzrecht. Ihre Population nimmt in Bayern, Berlin, Brandenburg und Meck-Pom zu. An manchen Stellen ist das problematisch, sie richten nämlich beträchtliche Schäden an Baumbeständen sowie an Dämmen zum Hochwasserschutz an. Mal eben die Jäger bestellen, um die Bäume und Uferbereiche durch tödliche Fallen oder Flinten zu schützen, ist kaum möglich.

Mit Schilf- oder Röhrichtmanagement kann dazu beitragen werden, Biber an anderen Stellen bessere Lebensräume anzubieten und andere unattraktiver zu machen. Die Havel und der Tegeler See, aber auch Teile der Spree, Dahme und Gewässer in den östlichen Berliner Bezirken bieten dafür exzellente Bedingungen und große Flächen. In Spandau gibt es sogar ein Biberschutzgebiet und außerdem die Sumpfflächen und Feuchtwiesen in Klein Venedig / Tiefwerder Wiesen. Dort laufen sogar Wasserbüffel herum. Kein Witz!

Das emsige Fällen der Bäume durch Nager am Plötzensee uferte aus. Wie die Biber weggelockt oder verbrämt wurden, oder ob anderes mit ihnen geschah, konnte ich nicht ermitteln.
Die kurzen Schilfgürtelchen des Plötzensees sind/waren angesichts der vielen Kilometer langer, dichter und hoher Schilfgürtel an besseren Standorten in Berlin und im angrenzenden Brandenburg unbedeutend und sicherlich  nicht wert, dass Biber ihretwegen bleiben und weiterhin Bäume am See fällen. Entlang des Berlin Spandauer Schifffahrtskanals bestehen für weitere lange Schilfgürtel gute Wuchsbedingungen. Ich hege deshalb die Vermutung, dass die Verantwortlichen die kurzen Schilfgürtel am Plötzensee bewusst überwachsen ließen.

Juli 2022 – Haialarm Kampagne

Berlin Mitte scheint wegen der Totaleinzäunung des Plötzensees in Erklärungsnot zu sein. Viele Bürger lassen sich von ihm nicht abhalten, außerhalb des kostenpflichtigen Strandbads ein Plätzchen am Wasser zu suchen und baden zu gehen. Warum auch nicht?

Die Kampagne enthält jedoch unglaubwürdige Behauptungen. Unter anderem heißt es im Text auf der Webseite:

„ … und der Schilfgürtel, der einen See eigentlich ausmacht und der einen besonders wichtigen Rückzugsort für Tiere bildet, existiert kaum noch.“ Die Schuld daran wird Menschenmassen zugeschrieben.

Der Text dockt an FFF Ängste an, um kritiklos mit dem Unsinn durchzukommen. Bei Leuten, die keine Ahnung vom Schilfwuchs haben, klappt das auch. Abgesehen davon ist die Dramatisierung angesichts sehr viele langer, dichter und zunehmender Schilfgürtel in Berlin lächerlich und gleichzeitig gefährlich, weil manche der Irreführung auf den Leim gehen. Schon dieser Teil, „.. der einen See eigentlich ausmacht …“,  ist ein plumpes rethorisches Mätzchen.

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Hier werden in Kürze weitere Berichte zu anderen Aspekten der Kampagne folgen, die Unwissenheit und unglaubwürdige Behauptungen nebst dem albernen Rahmen aus einem Haifischalarm nutzt, um – meines Empfindens – eine Gehirnwäsche durchzuführen, um die Akzeptanz des Zauns soweit zu erhöhen, dass Bürger, die ihn nach dem Gewäsch befürworten, andere anfeinden, die der absurden Begründung nicht folgen.

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