PTBS – YouTube als Therapie?

Wer kennt es nicht? Man kommt von der Arbeit nach Hause und befindet sich in einem anderen Milieu. Über den Job, Erfolge und Mißerfolge, kann man kaum reden. Dinge, die einem auf der Seele liegen, werden hier nicht verarbeitet. Dafür tritt man sich in der Freizeit mit Kollegen und Freunden. Solche Treffen, seien sie in einer Kneipe oder beim Angeln, geben die Gelegenheit, sich mit jemanden auszutauschen, der einen auf Gebieten versteht, die woanders keinen Raum haben. Ereignisse werden reflektiert und verarbeitet.  Je intensiver und heikler die Themen sind, desto mehr ‚kann‘ man sie nur mit Personen teilen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Ganz besonders gilt dies bei hoher Stressbelastung durch eine besondere Problematik, die nicht jedem verständlich zu machen ist. In der modernen Drogentherapie wurde dies erkannt und gut umgesetzt. Die erfolgreichen Akteure binden vorzugsweise ehemalige Drogensüchtige, die längst ‘clean’ sind, in therapeutische Maßnahmen, wie Gruppengespräche,  ein. Sie sind am ehesten in der Lage das Vertrauen der Hilfsbedürftigen zu erlangen, weil diese spüren, dass ihre Therapeuten ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Dies werden traumatisiert Soldaten und Katastrophenhelfer nicht empfinden, wenn sie zu einem Psychologen gehen, der ein relativ stressarmes Leben geführt hat und kaum nachvollziehen kann, worüber seine Patienten reden. Möglicherweise erträgt der Therapeut in dem Fall seinerseits die Erzählungen seiner Patienten nicht und lockt die Rezeption des Gehörten ab. Das spüren die Patienten und beenden daraufhin ihre eigene Kooperation.

Das Internet hat verschiedene Möglichkeiten zur Mitteilung von Erlebtem hervorgebracht. Wir sehen immer mehr Filme auf dem Kanal YouTube, die Alltägliches und Dramatisches aus dem aktiven Dienst von Soldaten zeigen. Wir sehen Filme von Katastropheneinsätzen und verheerenden Wirkungen von Tsunamis, die Bürger mit ihren Kameras gedreht haben und auf eigene Initiative der Weltöffentlichkeit im Internet zeigen.

Das Zeigen diese Filme ist bereits eine Form der Selbsthilfe. Man teilt anderen mit, dass man Schreckliches erlebt hat. Die vielen von Amateuren gedrehten Filme über die Auswirkungen des Tsunami bis im Jahr 2004 und ihre Veröffentlichungen im Internet, machen deutlich, dass dieses Medium eine wichtige Rolle beim Teilen von traumatischen Erfahrungen gewonnen hat. Die Filme befriedigen einerseits die Sensationslust der Masse und wecken zugleich ihre Anteilnahme und Betroffenheit. Die Filme können besser als jedes Schweigen oder unbeholfene Erzählen, anderen, die nicht an dem traumatischen Ereignis teilgenommen haben, einbeziehen und eine Basis für Therapien bilden, die seitens der Patienten nicht mit dem Verdacht behaftet sind, dass die Therapeuten gar nicht wissen worum es geht.

Niemand kann mit dem Spruch kommen, “Ach, das war noch nicht so schlimm.”, wenn man solche Filme gesehen hat. zugleich verlieren Patienten dadurch das Gefühl, dass ihre Therapeuten gar keine Ahnung haben von dem, was sie belastet.

Irak. Abschuss von Heckenschützen aus einem Hubschrauber
Irak. Abschuss von Heckenschützen aus einem Hubschrauber

Doch ist die Nutzung von solchen Medien heikel. Es gibt Videos, die reale und brutale Szenen aus Kriegseinsätzen zeigen. Beispielsweise das Abschließen von Menschen aus Hubschraubern. Diese Filme sind verstörend und unbegreiflich aus der Sicht einer Personen, deren Leben fernab von Kriegern stattgefunden hat. Handlungen, die in dramatischen Actionfilmen aus Hollywood akzeptiert werden, werden als real stattfindende Vorgänge präsentiert. Entgegen sprechende Dienstvorschriften werden traumatisierten und sich geistig auf einem anderen Level befindende Personen kaum davon abhalten, diese brisanten und zugleich anklagenden Filme weiterhin zu veröffentlichen. Dagegen könnte man nur mit dem Abschalten des Internets reagieren. Das ist kaum noch möglich und wird in vielen Ländern als eine nicht hinnehmbare Beschneidung der Freiheit der Menschen betrachtet. Nicht zuletzt deswegen kann PTBS nicht länger abseits stehen. Die Verantwortlichen, die Menschen in traumatische Situationen schicken, müssen die posttraumatische Belastungsstörung als ernst zu nehmenden Aspekt und Bestandteil ihrer Arbeit betrachten. Es ist nicht mehr möglich, wie einst Kriegszitterer als Feiglinge zu erschießen und so ein Verhalten als den richtigen Weg darzustellen. Durch die Nutzung von YouTube machen die Betroffenen deutlich, dass sie es als ihr Recht betrachten, anderen mitzuteilen, was sie erlebt haben. Dies kann als eine moderne Form des Hilferufs betrachtet werden. Die Betroffenen akzeptieren nicht, dass sie mit ihren Problemen allein sein sollen. Sie präsentieren es der ganzen Welt.

2 Gedanken zu „PTBS – YouTube als Therapie?

  1. Ich hab mal gelesen, es gab ein Video von einer Zeitgenössischen Hexenverbrennung in Afrika auf Youtube zu sehen. Das muss ich mir ehrlichgesagt nicht wirklich ansehen – dass es schrecklich ist, glaub ich auch ungesehen.

  2. @ Dora, das glaube ich gerne. Man muss auch nicht ansehen, wie Menschen aus Helikoptern erschossen werden. Ich glaube, das ist den Veröffentlichern der Filme egal, weil sie wissen, dass man den Film abschalten kann. Aber man kann, wenn man will, ein Stück weit miterleben, was die Leute so traumatisiert hat. Ob das eine gute Methode ist, wird von Fall zu Fall unterschiedlich sein.

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