Flugzeuge zum Frühstück in Berlin

Tegeler See. Frühstück im Hafen. Wären da nicht die lauten Flugzeuge

Berlin ist gesegnet mit Parks, Wäldern, Flüssen und Seen, die jedem Ansässigen nahe Erholungsgebiete sind. Deshalb befinden sich an der Havel, der Spree und angrenzenden Gewässer zahlreiche Marinas, Rudervereine und andere Wassersportler. An einem sommerlichen Sonntag morgens auf einem Boot am Tegeler See aufzuwachen, ist wunderschön, gäbe es da nicht einen beträchtlichen Makel. Der Flugplatz Tegel liegt mitten in Berlin und hier werden täglich ca. 500 Flugzeuge abgefertigt, von Hubschraubern der Bundeswehr abgesehen. Trotz eines mehrfach gebrochenen Versprechens, dieses Lärm- und Dreckmonstrums aus dem Stadtgebiet zu verlegen, starten und landen mehr Flugzeuge als je zuvor mitten in Berlin. Ab 6 Uhr geht es los, bis 23 Uhr und auch später. Auch Sonntags. Wenn ein Flugzeug startet, ist nichts anderes mehr zu hören, das steht fest.

Sonntag, 6 Uhr. Berlin leistet sich einen effektiven Weckdienst, seine lauten Flugzeuge. Jeden Tag!

Diese Flugzeuge zeigen, wie krank unsere Gesellschaft ist. Wer fliegt denn Sonntags um 6 Uhr irgendwohin? Vermutlich Urlauber, die irgendwo Erholung vom Alltag suchen, die aber auch in der Region möglich wäre, würde man sie akustisch nicht derart verschmutzen, wir wir das hemmunglos tun.

Idylle unter einer Lärmglocke. Berlin. Tegeler See

Aber eine logische, ökologische und freundliche Gestaltung des Alltags passt nicht un unser Leben. Warum? Wegen Geld und Arbeitsplätzen. Lieber fördern die Wirtschaft und Politik negative Zustände und damit Bedarfe, die widerum durch bezahlte Aktivitäten behandelt werden. Also ungefähr so: Mach das Leben an einem Ort ungemütlich, dann wollen die Leute in ihrer Freizeit verreisen, weil es woanders vermeintlich besser ist. Wollen die Leute verreisen, mache das durch Werbung besonders attraktiv. Dann kann man mit lauten Verkehrsmitteln die Herkunftsorte schön beschallen und den Wunsch nach Reisen verstärken und daheim Lärmschutzmittel verkaufen. Die betreffenden Mitarbeiter in der Tourismusbranche werden mit unmöglichen Arbeitszeiten verheizt und ihre Arbeitgeber stehen durch Bewertungsportale immer stärker in der Kritik. Wunderbar, daraus ergeben sich neue Bedarfe: Ärzte, Heilungseinrichtungen für Burnout und Rechtsanwälte profitieren davon. Der Staat kassiert ordentlich Steuern. Das Bruttoinlandsprodukt steigt.

Boot am Tegeler See. Wozu verreisen bei gutem Wetter, wenn alles vor Ort vorhanden ist?

Jedoch ist dies ein künstlich aufgebauter Bedarfsberg und sogar eine bewusst herbeigeführte Minderung der Lebensqualität, die keine Lebensmittel schafft oder Behausungen. Die Verantwortlichen verdienen sogar gut daran. Wäre es zuhause nett und gäbe es dadurch einen geringeren Bedarf zu verreisen, oder zu flüchten (??!), gäbe es weniger Flugzeuge und weniger Arbeit rund um das Thema. Weniger Aufräge zum Bau und zur Sanierung der Struktur. Wäre das wirklich ein Verlust? In einer schlauen Gesellschaft sicherlich nicht, die jeden Menschen gerecht in die Erbringung und Verteilung wirklich nötiger Leistungen beteiligt, anstatt sie einzuteilen in Arbeitslose oder in vorzeitig ausgelutsche Arbeitskräfte in einer Wirtschaftslandschaft, die letztlich nur wenigen wirklich etwas bringt.

Wie Lärmkrank moderne Menschen sind, sieht man auch an ihren Festen. Mach mal zuhause eine Party oder in einem Restaurant oder Schrebergarten. Ob in den späten 1950ern ‚Avanti Avanti‘ von Vico Torriani erklang oder heute eine Mischung aus Oldies und Elektrorhythmen, Musik muss sein, ist fest in den Köpfen verankert, doch die Anlagen werden immer lauter und bassiger. Ohne scheint es nicht zu gehen. Warum eigentlich, sind die anderen Gäste sonst nicht zu ertragen? Irgendein Wirt oder technisch begeisteter Spaßvogel sorgt schon für eine ordentliche Beschallung. Dieses Konzept wird nicht  hinterfragt. Alkohol und Lärm, heißt die Devise, egal was die Nachbarn davon halten. Die klamme Regierung findet das gut, denn hier entsteht Bedarf, der monetär interessant ist: Musikanlagen, Rechtstreitigkeiten, medizinische Behandlung, Medikamente und Alkohol. Vielleicht auf die eine oder andere Straftat durch Körperverletzung etc. Jedes Problem schafft einen Bedarf. Wie krank das in Wirklichkeit ist!

Begrüßung durch Rauchschwalben.

Und deshalb lärmen immer noch Flugzeuge über Berlin. Hunderte tagtäglich. In einer Art Stockholm Syndrom finden einige Berliner dies sogar in den Einflugschneisen toll. Ein Rest Rosinenbomberfeeling ist immer noch spürbar. Berlin braucht immer noch mittendrin einen Flugplatz, bloß nicht am Stadtrand, denn dort ist Brandenburg, glauben viele Berliner. Hey Leute, die Mauer steht seit 1989 nicht mehr und Deutschland ist nicht in zwei Staaten geteilt!

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