Büro oder Abenteuer?

Als freiberuflicher Autor mit allerlei Drumherum-Tätigkeiten, wie die Beschaffung von Leihgeräten und diversen administrativen Kontakten, ist ein geregeltes Arbeiten von Montag bis Freitag nicht möglich. Irgendwann nimmt man die Freizeiten und Arbeitszeiten so, wie sie kommen. Arbeiten am Wochenende oder nachts wird normal. Die scharfe Trennung zwischen Arbeit und Freizeit entfällt. D.h. nicht unbedingt, dass man als Autor viel mehr arbeitet als Büroangestellte, aber mit einer flexibleren Anpassung an die realen Gegebenheiten.

Rehe und Hirsch im Galopp. Foto: Thomas Gade

Kontakt zu Festangestellten schwierig
Der Kontakt zu vielen Mo-Fr / 9-17.30 Mitmenschen ist unter solchen Umständen kaum zu pflegen, weil sie eine geregelte Freizeit mit Ritualen haben (Freitagabend ausgehen, samstags einkaufen und die Wohnung reinigen, Sonntagsbrunch und Spaziergang), die auch ihre Vorstellungen von Kontaktpflege prägen.  Sie freuen sich über einen 3. Oktober am Donnerstag mit der Möglichkeit, den darauf folgenden Freitag als Urlaubstag oder mit Überstunden frei zu nehmen, während ich gegenteilig denke, weil in solchen Wochen einige Ansprechpartner nicht erreichbar sind und sich auch Paketzustellungen verzögern. Dieses kontroverse Spannungsfeld gehört dazu.

Kraniche auf einem Feld zwischen Linum und Kuhhorst.

Gelegentliche Abenteuer statt Büro
Steht man dann aber an einem schönen Herbsttag mitten in der Woche an einem Feldrand, um Zugvögel zu beobachten und zu fotografieren oder stapft durch eine bezaubernde Landschaft ohne den Scharen der Wochenendausflügler zu begegnen, ist die Welt in Ordnung. Unterwegs entdeckt man ländliche Betriebe, wie eine Schlachterei in einem Dorf oder trifft einen Kürbisbauern, der einem die verschiedenen Sorten erklärt und dafür auch Zeit hat. An den ländlichen Sehenswürdigkeiten ist man oft alleine, wie bei der Siegessäule in Hakenberg, deren steile und eng gewundene Treppe ich nicht empor steigen mag, wenn sie voller Leute ist. Einige andere Vorteile möchte ich gar nicht erst verraten.

Hokaido Kürbis im Feld

Momente des Glücks
Dann gibt es diese besonderen Momente des Glücks, wenn man in der richtigen Kleidung und mit der richtigen Fototechnik abgelegene Orte aufsucht und auf einmal ein Rudel Rehe aus einem Gebüsch hervor bricht, um über eine nasse Wiese zu preschen. Es gelingt mir, eine exzellente Kamera in dieser unerwarteten und kurzen Situation hochzureißen und mit den richtigen Einstellungen packende Fotos zu machen, die in den Köpfen vieler Menschen vielleicht in Alaska, Kanada oder Sibirien möglich wären, nicht aber eine halbe Stunde Autofahrt von Berlin entfernt. Nie habe ich die gleiche Sensation empfunden, wenn mir in meinem früheren Arbeitsleben große Projekte bewilligt wurden.

Für solche Abenteuer nimmt man es gerne in Kauf, nachts die fotografische Ausbeute zu sichten oder am Wochenende die Videos zu schneiden, Texte zu schreiben, Daten zu sichern und mühsam Leihgeräte zu organisieren.

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