Berlin. Wang Shus chinesische Dachziegel unter dem Gebimmel des Carillons.

Beim Aufräumen meiner Fotos stieß ich auf eine Bilderserie aus dem September 2012. Sie waren schon einige Wochen alt. An einem Samstag mit schlechtem Wetter waren wir mit dem Fahrrad in Berlin an der Spree entlang gefahren und näherten uns dem Regierungsviertel. Durch die Kälte kamen wir auf die Idee, in die Kongresshalle, auch Schwangere Auster oder Haus der Kulturen der Welt (abgekürzt ‚HKW‘) genannt, hineinzugehen. Wir erwarteten dort nichts Spektakuläres, nur Wärme, um uns vor der nächsten Etappe aufzuwärmen.

Das Gebäude lag an der Spree beim Tiergarten. Nebenan befand sich ein Turm, das Carillon, in dem ein merkwürdiges Klangspiel die Umgebung mit scheußlichen Tönen beschallt. Nun gut, es gab Leute, die das Geräusch mögen, aber im Innenhof des Hauses der Kulturen standen zwei Mitarbeiter beim Rauchen und teilten sich gegenseitig mit, dass sie das Carillon grässlich fanden. Mit meinem Standpunkt war ich also nicht alleine.

Haus der Kulturen der Welt – Kunst oder Hinweistafel?
Haus der Kulturen der Welt – Kunst oder Hinweistafel?

Beim Betreten des Hauses der Kulturen fiel auf, dass es sich insgesamt in einem Zustand der Selbst-Ausstellung befand. In der Garderobe hing Kleidung, die keinem Gast gehörte. Ein großer Vortragssaal war blau beleuchtet. Sogar die Hinweistafeln für Fluchtwege warfen durch ihre Beleuchtung die Frage auf, ob sie Teil der Ausstellung waren oder nur unvorschriftsmäßig installiert waren. Das Konzept war clever. Hier wurde alles zu Kunst.

Haus der Kulturen der Welt – Blauer Saal
Haus der Kulturen der Welt – Blauer Saal

Nach dem Betreten der oberen Terrasse stand man vor einem Gebilde aus Holz und einigen Dachziegeln, die uns dazu veranlassten, eine im Haus befindliche Dame mit einem Schild an der Jacke, dass sie als Mitarbeiterin auswies, zu fragen, was da draußen gebaut wird. Sie lachte und meinte das wäre eine Skulptur vom chinesischen Künstler Wang Shu. Ihrer Erläuterung nach sollte der Gang auf dem Holzweg durch die emporragenden Balken einen Gang über alttraditionelle chinesische Dächer symbolisieren, der Besucher sollte das auch so empfinden. Ferner erfuhren wir, dass Wang Shu ein Künstler mit Weltruf war, der in der Szene hoch geschätzt wurde. Wir hatten seinen Namen noch nie zuvor gehört. ‚Au Wei Ah‚ wäre passender gewesen. Respektvoll machten wir uns auf den Weg durch die Skulptur, gnadenlos beschallt vom Carillon. Die Klänge eines chinesischen Dorfes, klangen sie ähnlich wie dieses penetrante Gebimmel?

Haus der Kulturen der Welt. chinesische Dachziegel. Wang Shu
Haus der Kulturen der Welt. chinesische Dachziegel. Wang Shu
Haus der Kulturen der Welt. Skulptur von Wang Shu
Haus der Kulturen der Welt. Skulptur von Wang Shu

Interessanterweise wirkten viele Räume im Haus der Kulturen wie Bestandteile einer großen Ausstellung. Das galt sogar für die Toiletten, die ansprechend gestaltet waren. Es war nicht klar erkennbar, wo die Ausstellung begann und wo sie endete. Selbst die Weingläser in einem gastronomischen Bereich konnten gut zu den bewußt ausgestellten Objekten gehört haben. In einer Glasvitrine lagen amerikanische Zeitungen, deren Titel Bezug nahmen auf kriegerische Handlungen im Irak. Ein Titel erklärte, dass der Diktator Saddam Hussein tot sei. Makaber. War auch das Kunst und Kultur?

Haus der Kulturen der Welt. Irak. Mord und Totschlag
Haus der Kulturen der Welt. Irak. Mord und Totschlag

Im Restaurant zeigte ein Blick in die Speise- und Getränkekarte, dass zumindest die Küche von extravaganten Einflüssen verschont war. Kuchen, normales Essen, deutsche und französische Weine. Die üblichen Kaffeekreationen, Tee und Bier. Nichts besonderes. Wie beruhigend.

Unser Fotos zum Thema:
Haus der Kulturen – Schwangere Auster – Kongresshalle – House of the Cultures of the World

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