Vor drei Monaten lieh mir ein Anbieter für Fototechnik zwei Tarnzelte, die ich für einen Bericht benötigte. Irgendwie kam es nicht dazu, mit ihnen aus Berlin aufs Land zu fahren, um sie in einer passenden Umgebung aufzubauen und ordentlich zu fotografieren. Wie das manchmal so ist, verschiebt sich so ein Projekt eben. Aber gestern war es dann soweit. Tags zuvor fanden Recherchen über die Verkehrssituation statt.
Diese Vorbereitung ist in Berlin immer sehr wichtig, weil diese Stadt durch Staatsbesuche, Demos, Großveranstaltungen und Fanmeilen ständig ihr Straßennetz durch Straßensperrungen lahmlegt.
Gestern war der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Berlin zu Gast und über 1000 Polizisten mit Gerätschaften säumten diverse Straßen und die freie Fahrt war deswegen in manchen Teilen Tegels und in Berlin Mitte nicht gegeben. Auf meiner Stammroute gab es zudem eine Baustelle, die für lange Staus sorgte und somit stellte sich die Frage, wie man an dem Tag am besten von meinem Wohnort in Berlin die Stadt verlässt, um sich in Richtung Linum bei Kremmen zu bewegen. Stadtautobahn oder über Spandau? Stadtautobahn war wegen der Behinderungen auf den anderen Straßen vermutlich sehr voll. Ich entschied mich für Spandau. Zuvor hatte ich in einer Facebook Gruppe für den Ort Hennigsdorf nachgefragt, ob von Hennigsdorf die Strecke über Marwitz und Eichstätt bis Schwante umleitungsfrei war. Dies wurde mir bestätigt. Allerdings stellte sich diese Meldung als falsch heraus und meine Fahrt führte schließlich durch ein marodes Gewerbegebiet in Velten wird immer noch sichtbaren Spuren der DDR. Wahrscheinlich wäre dieser Ort längst durch Abrisse und neue Bebauung mit Wohnhäusern eine attraktive Randstadt nordwestlich von Berlin geworden. Aber das Scheitern der Fusion Berlins und Brandenburgs im Jahre 1996 hat in dieser Hinsicht mehr positive Entwicklungen verhindert, als sich die meisten Bürger bewusst sind. Nicht, dass man die Brandenburger nicht verstehen kann, die keine Berliner Verhältnisse in der Politik haben möchten.
Hinter Marwitz verlief die Fahrt dann ohne weitere Überraschungen. Auf Landstraßen in schöner Umgebung und mit vielen Bäumen gesäumten Alleen erreichte ich das Rhinluch in der Nähe Linums.
Stille im Rhinluch
Die riesigen Feuchtwiesen entlang der Linumhorster Straße sind mein bevorzugter Standort für Außenaufnahmen. Warum? Hier ist weit und breit nichts los. Man hat einen weiten Rundumblick und kann ohne Bedenken aus dem offenen Wagen alles Mögliche irgendwohin schleppen. Keine Seele weit und breit stört dabei oder ergriffe die Gelegenheit, etwas zu entwenden. Außer den Bauern, die mit gewaltigen Maschinen regelmäßig die Feuchtwiesen mähen und die Ernte in große danebenfahrende Anhänger hinter Traktoren mit gewaltigen Reifen pusten, sieht man hier höchstens mal Naturbeobachter. Die Gegend ist total flach und an manchen Stellen sieht man, dass man im Umkreis von Kilometern der einzige Mensch ist. Einige dichte Baumreihen zwischen den ca. 1 km langen Wiesen versperren die weitere Sicht auf die Landschaft dahinter. Es ist hier so ruhig, abgesehen vom Zirpen der Insekten und dem Zwitschern Vögeln, dass jeder der selten vorbeifahrenden Traktoren oder der ebenso seltenen einzelnen PKW die Stelle scheinbar ohrenbetäubend unterbricht. Hier ist man sehr weit von dem Getöse Berlins entfernt, dass die Stille dem Großstädter im fast menschenleeren Rhinluch beinahe unwirklich erscheint.
Ich parkte an einer Kreuzung aus einem Stück der alleenartigen Landstraße und zwei abzweigenden Pisten für die Landwirte, die schon keine Straßen mehr waren. Ein Schild kennzeichnete die Landschaft als Naturschutzgebiet und ein weiteres verbot die Weiterfahrt. Der Platz davor reichte locker zum Parken des Autos.
Hitze und Insekten
Bei 27° im Schatten an dem Tag sorgte die Feuchtwiesenlandschaft für eine hohe Luftfeuchtigkeit. Auf den nicht gemähten Flächen wucherte eine üppige Vegetation aus hohen Gräsern.
Hier stellte ich zwei Tarnzelte auf, die farblich bestens in das Ensemble passten. Es war ein Kinderspiel, sie dort ansprechend zu positionieren und zu fotografieren, um sie im Einsatz zu zeigen. Ein fetter Hase hoppelte vorbei und zahlreiche Insekten leisteten mir Gesellschaft. Anschließend packte ich alles wieder ein und fuhr weiter bis zum Hafen und zur Teichlandschaft in Linum.
Linumer Hafen
Außer mir parkte dort nur ein Auto. Aber im Hafen lagen diverse Sportboote. Man hatte sogar kleine Stege angelegt und das kleine Hafenbecken aufgewertet. Es waren mehr Boote dort als sonst. Sogar ein Hausboot wurde zum Verleih angeboten. An manchen Stellen wucherte dieses Hafenbecken zu. Die Wasserpflanzen hatten in großer Dichte bereits die Wasseroberfläche erreicht. Weit und breit war niemand zu sehen.
An einem überdachten Rastplatz, der Schatten vor der sengenden Sonne bot, wurden die kulinarischen Schätze aus meiner Kühlbox verspeist. Fünf Meter daneben sonnte sich eine lange Ringelnatter neben einem Wehr mit kräftig fließendem Wasser, während eine ihrer Artgenossen den Amtmannkanal durchschwamm. Ein Stückchen weiter huschte ein Iltis oder Otter witternd über den Pfad, der durch die Teichlandschaft führte. Eine pelzige große Raupe bewegte sich vorbei während an den Schilfhalmen große Libellen beschäftigt waren. Ein Dorfbewohner kam kurz vorbei und winkte mit fröhlichem Nicken von seinem verrosteten Moped aus DDR-Zeiten. Seine Kleidung vermittelte deutlich, dass ihm jegliche Orientierung zur aktuellen Mode fehlte und es ihn nicht im Geringsten kümmerte. Cooler Typ und völlig authentisch.
Ein Wagen erschien. Aus Holland. Hinten zwei Fahrräder dran. Ein Paar stieg aus. Er mit kostbarem Fernglas am Halsband. Sie stellte ein Stativ mit teurem Spektiv von Zeiss auf. Ein Vogel zwitscherte. Sofort wurde das Fernglas zum betreffenden Baumwipfel gerichtet.
Die Teichlandschaft von Linum gilt als Hotspot für Vogelbeobachter, aber wirklich lohnen tut es sich hier vor allem von September bis November, wenn sich die Zugvögel versammeln, insbesondere Kraniche und Gänse. Die Nester der Beutelmeisen werden von den meisten Beobachtern ohnehin übersehen und aktuell sind die Störche auf zahlreichen Horsten im Ort die Attraktion. Sonst sieht man an den Teichen vor allem Schwäne, Enten, Möwen und Silberreiher. Die ersten beiden Sorten kann man in jedem Stadtteich einfacher beobachten.
Auf dem Amtmann Kanal näherte sich ein Faltboot. Das Paar erreichte den Hafen, holte es an Land und begann es abzubauen. Ein ganz schöner Aufwand trotz erkennbarer Routine. Für ein paar Euro hätte man sich an Ort und Stelle ein Kanu mieten können.
Ich brachte die Kühltasche zurück ins Auto und ging zum Aussichtsturm zwischen den Teichen, um die beiden Flöße, auf denen Möwen brüten, zu beobachten. Die Flöße sind mit einem Drahtzaun umspannt, der offenbar Strom führt, um Feinde abzuhalten. Daher können sich die Möwen dort gut vermehren. Man müsste mal auf der Plattform dieses Aussichtsturms übernachten und gucken, welche Tiere während der Nacht und Dämmerung dort unterwegs sind.